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Ein Brief an den Vater

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Kopie eines Briefes von Victor Caudron an seinen Vater – fünf Monate, ehe er im Ludwigsburger Schießtal ermordet wurde

Brüssel, St. Gilles - 1. Mai 1944.

Lieber Vater,

Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, Dir endlich eine Nachricht von mir zu geben; Neuigkeiten, die dich trösten werden.

Ich bedauere unendlich all die Schmerzen und Ängste, die ich dir bisher bereitet habe. Ich bitte dich um Verzeihung und bitte dich, Vater, mir aus der Ferne deinen tröstlichen Segen zu geben.

Mir geht es seelisch und körperlich wunderbar.

Wäre da nicht die Sorge, dir so viel Kummer zu bereiten, empfände ich diese Probe als heilsam und wohltuend. Du wirst, Vater, « t'jambot », reifer, ruhiger und viel mehr besonnen wiederfinden, so wie du dir immer gewünscht hast, dass ich es werde.

Diese Probe hat mich ganz zu Gott zurückgebracht, an dessen Existenz du nicht mehr zweifeln darfst, denn – durch Beweise gestützt die Gebete waren nicht umsonst. Er hat mich in allen Situationen beschützt und behütet und ich fühle, dass dieser göttliche Schutz mich nicht verlassen wird und auch euch alle, die ich so sehr liebe, decken wird. Ich danke dir, dass du meiner Verlobten ein so schönes Kruzifix gekauft hast, das man zweifellos nur loben kann. Ich ahne, dass sie dich häufig besucht hat und dass auch sie möchte, dass du zu Gott zurückkehrst. Du wirst sehen, Vater, wie viele glückliche Tage wir mit ihr erleben werden, wenn Gott mir die Gnade schenkt, dass wir alle gesund und munter wieder zusammenkommen.

Jeden Tag, viele Male, bete ich für sie, für dich, Vater, für ihre Eltern, für unsere Familien, für « m 'Man », für unseren Henri, für unsere Brüder und Schwestern, Schwäger, Neffen und Nichten.

Warte hoffnungsvoll auf mich, Vater; ganz herzliche Küsse von deinem immer würdigen "d'jambot" (Sohn), der dich noch einmal um Verzeihung bittet, dass er manchmal ungehorsam war.

Ich umarme von ganzem Herzen Jeanne, meine Patin, meine zweite Mutter, unsere gute Louise, Georges, meinen Patenonkel, den ich bitte, ein wenig reifer zu werden, Josée, die sicherlich auf die baldige Rückkehr unseres Henri hofft, Alice, René und die ganze Rasselbande, Kleine und Große, die ich bitte, brav zu sein, ihre Eltern zu respektieren, in der Schule gut zu arbeiten und sich bei all dem aus Liebe zu ihrem Onkel Victor, der sie so sehr liebt und sich um ihr Verhalten sorgt, ein bisschen Mühe zu machen.Brüderliche Küsse an alle, Küsse an Zélia, der ich danke, dass sie dich gut pflegt, an alle meine Freunde, an Hector, den ich küsse und den ich verlobt wiederfinden möchte.

Euer kleiner Bruder Victor.

P.S. Geh für mich zu Mamas Grab.

[ Übersetzung: Maude Williams ]



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